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Das Gut Lüben

1913-1933

Der Provinzialverband der preußischen Provinz Sachsen kauft im April 1912 ein Grundstück im Nordosten der Stadt Burg und eröffnet dort am 1. Februar 1913 die staatliche Landeserziehungsanstalt Gut Lüben für zwangseingewiesene, schulentlassene männliche Jugendliche evangelischer Konfession. Bis 1933 leitet ein Theologe die Anstalt, die praktische Erziehung liegt in den Händen von Diakonen und basiert auf dem Grundsatz „Bete und arbeite“. Die Jugendlichen, die in den anstaltseigenen Betrieben und in der Landwirtschaft arbeiten und ausgebildet werden, müssen sich einer strengen Zucht und Ordnung unterwerfen. Im Heim leben bis zu 200 Jungen, verteilt auf sieben Häuser, mit jeweils einem Hauselternpaar zusammen. Fluchtversuche, Diebstähle oder anderen Vergehen werden mit dem Streichen von Vergünstigungen, körperlicher Züchtigung oder Arrest bestraft.

1933-1945

Nach der Machtübernahme der NSDAP wird das Personal durch linientreue Mitglieder der nationalsozialistischen Bewegung ersetzt und Gut Lüben als Landeserziehungsheim Gut Lüben bei Burg bezeichnet. Kirchliche Handlungen sind fortan unerwünscht, stattdessen prägen Appelle, paramilitärische Geländespiele und körperliche Ertüchtigungen den Heimalltag. Die NS-Rassenhygiene ist nicht nur Bestandteil des nationalpolitischen Unterrichts – eine unbekannte Zahl von Heimbewohnern wird auf Grundlage des Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses vom 14. Juli 1933  zwangssterilisiert. Nach ihrer Entlassung leisten die meisten jungen Männer ihre Dienstpflicht im Reichsarbeitsdienst und in der Wehrmacht ab.

1945-1948

Am 5. Mai 1945 besetzt die Rote Armee Gut Lüben und nutzt es als Kaserne, Lazarett und Heilstätte für Tuberkulosekranke. In einzelnen Gebäuden leben weiterhin rund 30 betreute Jugendliche. Nach Abzug der Roten Armee im Oktober 1948 werden die meisten Häuser wieder für die Jugendarbeit hergerichtet, die Einrichtung bekommt den Namen Landeserziehungsheim Gut Lüben.

1949-1990

Im September 1949 erfolgt die Umbenennung in Landesjugendheim August Bebel, am 6. Oktober in Jugendwerkhof August Bebel. Die Jugendwerkhöfe gehören in der DDR zu den Spezialheimen und sind bis 1965 dem Ministerium für Volksbildung unterstellt, danach den Bezirken. Jugendliche im Alter von 14 bis 18 Jahren, die als verhaltensauffällig, nicht systemkonform oder schwer erziehbar gelten, sollen in den Jugendwerkhöfen im Sinne der sozialistischen Ideologie umerzogen werden. Der Jugendwerkhof August Bebel ist mit 240 Plätzen für Mädchen und Jungen der größte in der DDR. Er unterhält, besonders in den 1950er und 1960er Jahren, viele Außenstellen, die in der Nähe von Arbeitsstätten und Ausbildungsbetrieben liegen, zum Beispiel in Gerwisch, Iden, Lehnin und Rogätz. Die Jugendlichen arbeiten überwiegend in der Industrie und im Handwerk, bis in die 1980er Jahre hinein auch in der Landwirtschaft. Etwa 15 bis 20 Mädchen bzw. Jungen leben jeweils in Gruppen zusammen, die Aufenthaltsdauer beträgt im Durchschnitt zwei bis vier Jahre. Neben Ausbildung für Hilfstätigkeiten, Schule und politischer Einflussnahme gehören auch Sport- und Kulturveranstaltungen zum streng reglementierten Heimalltag.

In den Spezialheimen der ehemaligen DDR ist Kindern und Jugendlichen schweres Leid und Unrecht widerfahren. Auch im Jugendwerkhof August Bebel gab es Missstände. Berichtet wird von Demütigungen, schwerer, dem Alter unangemessener Arbeit, Körperstrafen und Isolation.

1990-2017

Nach der Wende übernimmt das Land Sachsen-Anhalt den Jugendwerkhof August Bebel und wandelt ihn in ein Landesjugendheim um. Nach Beratung mit dem Diakonischen Werk in Hannover beschließt der Vorstand des Stephansstiftes in Hannover-Kleefeld am 23. November 1990 die Gründung einer gemeinnützigen Trägergesellschaft zur Übernahme des Jugendheimes. Am 27. Juni 1991 wird das Cornelius-Werk als gemeinnützige Tochtergesellschaft des Stephansstiftes zum Aufbau diakonischer Hilfen in Burg gegründet. Am 17. November 1991 wird mit einem feierlichen Gottesdienst die Übernahme des Jugendheimes gefeiert. Die Gesellschaften des Stephansstiftes, darunter auch das Cornelius-Werk, sind seit 2011 in der Trägerschaft der Dachstiftung Diakonie. Heute arbeitet das Cornelius-Werk in zahlreichen Landkreisen und Städten in Sachsen-Anhalt und begleitet Kinder, Jugendliche, Senioren und Familien mit differenzierten Hilfsangeboten.

Erster Stolperstein auf dem Gut Lüben in Burg verlegt

Ein besonderer Tag war der 11. Oktober 2023 für das Cornelius-Werk und die auf dem Gut Lüben lebenden und arbeitenden Menschen. Bei strahlendem Sonnenschein und in einem würdevollen Rahmen hat der Künstler Gunter Demnig vor dem Eingangsbereich der Hauptverwaltung einen Stolperstein für Fritz Taudt verlegt, der von 1934 bis 1935 als Heimkind im damaligen Landeserziehungsheim Gut Lüben lebte und unter tatkräftiger Mitwirkung des damaligen Anstaltsleiters Dr. Fritz Ihlenburg zwangssterilisiert wurde.

Pünktlich um 10 Uhr fuhr Gunter Demnig, der zuvor in Burg Stolpersteine in der Brüderstraße und in der Bahnhofsstraße verlegt hatte, mit seinem roten Peugeot vor. Tobias Nahrstedt, der technische Leiter des Cornelius-Werkes, hatte die Verlegestelle vorbereitet und bekam gleich ein großes Lob von dem Künstler: „Perfekt“, sagte Gunter Demnig, als er die Stelle inspizierte. Während Demnig den Stolperstein verlegte, begrüßte Geschäftsführer Stefan Böhme den Künstler und die Gäste und berichtete anschließend über die Geschichte des Gut Lübens. 

Dr. Steffen Meyer von der Historischen Kommunikation der Dachstiftung Diakonie skizzierte danach das Leben von Fritz Taudt anhand einer Bewohnerakte, die auf Gut Lüben auf einem Dachboden entdeckt und dann an das Landearchiv Magdeburg übergeben wurde. „Fritz Taudt war ein aufgeweckter Junge, der mit einem großen Freiheitsdrang und einem starken Willen ausgestattet war“, so Meyer. Wohl aufgrund seines von der Norm abweichenden Verhaltens und nicht wegen einer Intelligenzschwäche wurde bei ihm „angeborener Schwachsinn“ diagnostiziert, was schließlich zu seiner Zwangssterilisation führte. Fritz Taudt meldete sich nach seiner Heimzeit freiwillig zum Reichsarbeitsdienst und kam später zur Wehrmacht. Er gilt seit dem 20. Juli 1943 als in Russland vermisst.

Hiltrud Gümbel aus Burg hat die Veranstaltung, die von Cindy Stiller und ihrem Team hervorragend vorbereitet war, musikalisch mit ihrer Flöte begleitet. 

Im Gegensatz zu anderen Verlegungen, bei denen durch Anschlusstermine oft Zeitdruck herrscht, gab es im Cornelius-Werk die Gelegenheit, Gunter Demnig Fragen zu stellen und mit ihm ins Gespräch zu kommen, bevor er sich verabschiedete und weiter nach Oschersleben fuhr.

Das größte dezentrale Mahnmal der Welt für die Oper des Nationalsozialismus wächst dank des unermüdlichen Einsatzes von Gunter Demnig und seinem Team weiter und umfasst mittlerweile rund 104.000 Stolpersteine. 
 

Ein Stolperstein für Fritz Taudt

Fritz Taudt wurde am 1. Februar 1916 als sechstes Kind des Bauarbeiters Hermann August Taudt und dessen Ehefrau Emma in Erfurt geboren. Fritz besuchte bis Frühjahr 1930 eine Hilfsschule und arbeitete anschließend in einer Gärtnerei, die ihn nach wenigen Monaten wegen Arbeitsmangel entließ. Auch eine Anstellung als Laufbursche wehrte nicht lang. Fritz beging einige Diebstähle, wurde entlassen und zu einer dreiwöchigen Gefängnisstrafe verurteilt, die er nicht antreten musste. Als er während einer anderen Anstellung als Laufbursche erneut Geld stahl, ordnete das Jugendamt Erfurt Heimerziehung an.

Fritz Taudt kam am 2. Juli 1932 in das Eckartshaus nach Eckartsberga. Mit großem Freiheitsdrang ausgestattet, floh Fritz regelmäßig aus dem Heim. Arreststrafen, die nach den Zurückführungen erfolgten, schreckten ihn nicht ab. Oft schlug er sich wochenlang durch, einmal bis zu seinen Eltern nach Erfurt. Dort aufgegriffen, veranlasste das Jugendamt seine Überführung in ein Landeserziehungsheim nach Zeitz, wo er am 24. Februar 1933 eintraf. Fritz Taudt arbeitete in der anstaltseigenen Landwirtschaft, floh aber auch öfters aus diesem Heim und galt deswegen als „notorischer Ausreißer“. Ein Psychiater, der am 13. Juli 1933 im Landeserziehungsheim psychiatrische Untersuchungen durchführte, beschrieb Fritz Taudt als teilnahmslos, intellektuell unbegabt und in Bezug auf die Arbeit als antriebslos. Er empfahl die Verlegung in ein Heilerziehungsheim, aber die Aufsichtsbehörde entschied anders und ließ den damals siebzehnjährigen Jungen im August 1933 in die Neinstedter Anstalten verlegen. 

Auch in Neinstedt war Fritz Taudt unglücklich und floh immer wieder aus dem Burschenheim Marienhof. Am 27. Februar 1934 wurde er vom Anstaltsleiter beim Kreisarzt in Quedlinburg im Sinne des Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses angezeigt. Fritz Taudt litt nach Ansicht der Anstaltsleitung an angeborenem Schwachsinn, aus Sicht des Gesetzgebers eine Erbkrankheit, die es durch Sterilisation „auszumerzen“ galt. Bevor aber die Unterlagen beim Erbgesundheitsgericht Halberstadt eingereicht werden konnten, kam es zu einer weiteren Verlegung. Am 17. März 1934 traf Fritz Taudt im Landeserziehungsheim Gut Lüben in Burg bei Magdeburg ein. Dessen Direktor, Dr. Fritz Ihlenburg, führte den in Neinstedt begonnenen Vorgang weiter und beantragte die Unfruchtbarmachung beim Erbgesundheitsgericht Magdeburg. Als Hermann Taudt, der Vater von Fritz, davon erfuhr, beschwerte er sich bei Direktor Ihlenburg. Ihlenburg, der das Landeserziehungsheim von 1935 bis 1936 leitete und 1937 als Leiter des Reichspropagandaamtes des Gaus Magdeburg-Anhalt nach Dessau ging, antwortete dem Vater am 3. Dezember 1934 mit harschen Worten:

„Sehr geehrter Herr Taudt! Sie haben mir einen sehr groben Brief geschrieben. Ich will annehmen, daß Sie erregt waren. In Zukunft werde ich solche Briefe einer Behörde zuleiten, die sich dann mit Ihnen in praktischer Art beschäftigen wird. Sie schimpfen über die Sterilisation. Das geschieht bei Ihnen nur deshalb, weil Sie sich noch nicht bemüht haben, den Zweck des Sterilisationsgesetzes zu ergründen. Das Gesetz hat folgenden Zweck: Das deutsche Volk soll wieder gesund werden. Um das zu erreichen sollen alle diejenigen Volksgenossen, die vielleicht körperliche, seelische Schwächen oder Krankheiten weiter vererben könnten, auf ihre Fortpflanzung verzichten. […] Wer aus diesem Grunde auf seine Fortpflanzung verzichtet, der ist ein richtiger Sozialist. Ich hoffe, daß Sie, Herr Taudt, ein deutscher Sozialist sind. Nach Ihrem groben Brief zu urteilen, sind Sie ein großer Egoist, ein ichsüchtiger Mensch, der nicht will, daß Hitler das deutsche Volk glücklich macht. […]“ 

Am 12. Dezember 1934 beschloss das Erbgesundheitsgericht Magdeburg die Unfruchtbarmachung von Fritz Taudt wegen angeborenen Schwachsinns, wogegen Hermann Taudt umgehend Beschwerde einlegte. Da sein Sohn vor kurzem von einem Arzt als gesund für den Arbeitsdienst befunden worden sei, könne kein Schwachsinn vorliegen, argumentierte er. Zum Schluss drohte der Vater: Sollte das Gericht den Beschluss Aufrecht erhalten und seinem Sohn dadurch Nachteile entstehen, „mache ich denjenigen verantwortlich, der den Antrag gestellt hat.“ Aufgrund der Beschwerde folgten einige Schriftwechsel zwischen den zuständigen Behörden und dem Landeserziehungsheim Gut Lüben. Im Ergebnis wurde wegen des schwebenden Verfahrens die Fürsorgeerziehung von Fritz Taudt, die mit Wirkung zum 1. Februar 1935 geendet hätte, über die Volljährigkeit hinaus verlängert. 

Am 27. Januar 1935 schrieb Hermann Taudt erneut einen Brief an das Erbgesundheitsgericht. Er sei mit der Sterilisation nur einverstanden, wenn sein Sohn nach dem Eingriff seinen Unterhalt selbst verdienen könne und mit 19 Jahren entlassen werde. Außerdem müsse der Antragsteller für mögliche Nachteile verantwortlich gemacht werden. Die Verlängerung der Fürsorgeerziehung ohne seine Einwilligung und Nennung von konkreten Gründen mache ihn „sprachlos“. Das Gericht übergab die Beschwerde an das Erbgesundheitsobergericht Naumburg, das den Anstaltsarzt des Landeserziehungsheimes Gut Lüben um eine Stellungnahme bat. Dr. Rühlmann bestätigte die Diagnose und prognostizierte, dass die Unfruchtbarmachung keine Auswirkungen auf die Erwerbsfähigkeit haben werde. Am 5. März 1935 schrieb Fritz Taudt, der immer noch wegen des schwebenden Verfahrens mit einer Urlaubssperre bedacht war, seinen Eltern einen Brief. Offenbar von Heimweh geplagt und der Ungewissheit überdrüssig, bat er seine Eltern um ihr Einverständnis. „Gebt getrost eure Zustimmung denn es ist hier keine Schande sondern nur eine Ehre in dem Sinne zur Verhütung von kranken Nachkommen. 

Sterilisierung hat nichts mit Entmannung zu tun, und ihr braucht keine Angst zu haben, dass dadurch meine Zukunft gefährdet ist.“ Ein sterilisierter Kamerad, so Fritz Taudt weiter, „ist viel vergnügter als früher.“ Den Direktor träfe keine Schuld, da die Neinstedter Anstalten die Sache in Gang gebracht hätten und gegen Gesetze nichts zu machen sei. 

Nach diesem Brief stimmte das Ehepaar Taudt der Unfruchtbarmachung zu. An dem spannungsgeladenen Verhältnis zwischen Hermann Taudt und Direktor Ihlenburg änderte das nichts. Ungehalten über die Inhalte der väterlichen Schreiben an den Sohn teilte Ihlenburg Herrn Taudt am 6. April mit, dass er dessen letzten Brief „wegen erziehungswidrigen Inhalts“ nicht ausgehändigt habe. „Ich verwarne Sie zum letzten Male. Gehen weiter solche Briefe ein, werde ich sie der zur Verfolgung von Sabotageakten zuständigen Behörde zur weiteren Behandlung zuleiten.“ 

Als dem Erbgesundheitsobergericht Naumburg die Einverständniserklärungen von Fritz und Hermann Taudt vorlagen, wies es die Beschwerde gegen den Beschluss des Erbgesundheitsgerichts Magdeburg ab. Kurz darauf kam Fritz Taudt in das Kreiskrankenhaus Burg, wo er am 13. Mai sterilisiert wurde. Zurück aus dem Krankenhaus durfte er am 8. Juni 1935 den lang ersehnten Heimaturlaub antreten. 

Nach seiner Rückkehr gab ihn das Heim zu einem Bauern in Dienst. Nach wenigen Tagen setzte sich Fritz Taudt von dort ab, floh nach Erfurt und berichtete seinen Eltern von Gewalterfahrungen im Landeserziehungsheim. Jugendliche hätten Arreststrafen in einem Keller und Schläge mit Gummischläuchen ertragen müssen. Die Eltern beschwerten sich daraufhin bei Direktor Ihlenburg und der Aufsichtsbehörde, was zu Ermittlungen und Zeugenbefragungen führte. In diesem Zusammenhang sprach Ihlenburg mit einem der beschuldigten Erzieher. Der Erzieher berichtete von Bestrafungen mit dem Rohrstock und einem Vorfall, bei dem er einem entlaufenen Jungen „ziemlich drei Stunden lang“ hinterherjagen musste: „Die Wut packte mich und als ich ihn hatte, verabreichte ich ihm mit dem Schulterriemen erst eine gehörige Tracht Prügel. Oder sollte ich mich bei ihm bedanken dafür, daß ich hinter ihm hinterher rennen durfte? Sollte ich ihm Schokolade reichen? Als SS-Mann habe ich gelernt, einen Flüchtling zu packen, so daß ihm die Lust vergeht, noch einmal einen Fluchtversuch zu unternehmen.“ 

Gegenüber der Aufsichtsbehörde dementierte Anstaltsleiter Ihlenburg die Nutzung des Kellers als Arrestzelle und verwies auf die eigens für diesen Zweck hergerichteten Aufenthaltsräume. Die Anschaffung eines Gummischlauches habe die Anstalt nicht nötig, da „der gesetzlich gestattete Rohrstock ein viel wirkungsvolleres letztes Erziehungsmittel“ sei. Ohnehin erfolgte die Beschwerde der Eltern aus Rache und die von ihnen genannten Belastungszeugen seien unglaubwürdig. 

So kam es, dass die Beschwerde der Eltern erfolglos blieb. Ihr Sohn Fritz aber, der im August von Erfurt nach Burg zurückgekehrt war, musste nicht mehr lang im Erziehungsheim ausharren. Am 1. Oktober 1935 meldete sich Fritz Taudt freiwillig beim Reichsarbeitsdienst. Er kam in ein Arbeitsdienstlager nach Fienerode bei Genthin, wo er wenige Wochen später von seiner offiziellen Entlassung aus der Fürsorgeerziehung erfuhr. Herr Domann, ein Lehrer des Erziehungsheims, schrieb in Vertretung für Direktor Ihlenburg im Januar 1936 in seinem Entlassungsbericht, dass sich Fritz Taudt körperlich gut entwickelt habe, „seine charakterliche Hilflosigkeit und Unselbständigkeit“ aber nicht vollständig habe behoben werden können. „Die Fürsorgeerziehung hat mit zweifelhaftem Erfolg abgeschlossen.“ 

Fritz Taudt blieb bis November 1937 beim Reichsarbeitsdienst, dann zog ihn die Wehrmacht ein. Hier beging er Fahnenflucht, was gemäß eines Melderegistereintrages vom 30. Januar 1940 mit zwei Jahren Gefängnis bestraft wurde. Unterlagen des Bundearchivs belegen seine Zugehörigkeit zum Infanterie-Ersatzbataillon 53 in Wittenberg im Jahr 1942. 1943 hielt er sich als Angehöriger der 4. Batterie Panzer-Aufklärungs-Abteilung 5 in Schisdra in Russland auf und gilt seit dem 20. Juli 1943 als vermisst. 

Familienangehörige – sehr wahrscheinlich die Eltern – haben 1947 erfolglos über das Deutsche Rote Kreuz nach ihm gesucht. 

 

Dr. Steffen Meyer

 

Quellen:

  • Bundesarchiv Berlin: Zentrale Personenkartei der Deutschen Dienststelle (WASt). Signatur: B 563/107556 Seite 202

  • Landesarchiv Sachsen-Anhalt, Magdeburg: Akte Fritz Taudt. Signatur M 71, Nr. 2796

  • Stadtarchiv Erfurt: Einwohnermeldekartei. Meldekarte Fritz Taudt

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Parchauer Chaussee 1 A39288 Burg
Fax: 03921 915-210
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Parchauer Chaussee 1 A39288 Burg
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